Beziehungsmodelle
Von Monogamie bis Beziehungsanarchie: Die vielfältigen Modelle moderner Liebesbeziehungen
Beziehungen sind so individuell wie die Menschen, die sie führen. Während Monogamie in unserer Kultur den Standard darstellt, gibt es zahlreiche andere Modelle, die ebenfalls Erfüllung und Glück versprechen.
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In vielen Teilen Europas, insbesondere in Ländern wie Österreich, wachsen wir in einer Kultur auf, die stark von christlichen Werten geprägt ist. Monogamie ist hier das dominierende Beziehungsmodell. Die klassische Vorstellung: Ein Paar verliebt sich, zieht zusammen, heiratet, gründet eine Familie und baut ein gemeinsames Leben auf. Dieses Modell, das für viele den Inbegriff einer gelungenen Beziehung darstellt, birgt jedoch auch Herausforderungen. Die Realität zeigt, dass die Treue in vielen Beziehungen auf die Probe gestellt wird – manchmal bleibt es bei Gedanken, oft aber führt es zu Affären.
Der biologische und kulturelle Hintergrund
Biologisch betrachtet, ist der Mensch nicht zwingend monogam veranlagt. Unser limbisches System, der Teil des Gehirns, der unsere Urinstinkte steuert, ist darauf ausgelegt, nach dem besten genetischen Partner zu suchen. Gleichzeitig ermöglicht uns unser Neocortex – der Teil des Gehirns, der für Denken und Sprache verantwortlich ist – bewusst Entscheidungen über unsere Beziehungen zu treffen. Dies führt oft zu einem inneren Konflikt: Wir schätzen die Sicherheit und Vertrautheit einer langfristigen Beziehung, fühlen aber gleichzeitig das Bedürfnis nach neuen Erfahrungen und Abenteuern. Viele Menschen lösen dieses Dilemma durch heimliche Affären.
Nichtmonogamie als Alternative
Die Sehnsucht nach etwas Neuem liegt in unserer Natur. Doch obwohl viele Menschen nichtmonogame Wünsche hegen, ist das offene Ausleben dieser Wünsche in unserer Gesellschaft oft mit Scham und Schuldgefühlen verbunden. Wir sind kulturell darauf programmiert zu denken, dass wahre Liebe nur in einer monogamen Beziehung existieren kann. Doch das stimmt nicht. Es ist durchaus möglich, mehrere Menschen gleichzeitig zu lieben, ohne dass die eine Liebe die andere schmälert.
In meiner Praxis stelle ich oft fest, dass viele Menschen zwar theoretisch mit dem Gedanken an offene Beziehungen oder Polyamorie spielen, es aber nicht ertragen könnten, wenn ihr:e Partner:in diese Freiheiten ebenfalls nutzen würde. Das Gefühl, dass die bzw. der eigene Partner:in auch andere begehrt, kann eine tiefe narzisstische Wunde verursachen, die viel Selbstreflexion und emotionale Reife erfordert, um geheilt zu werden. Monogamie erscheint in diesem Kontext oft als der einfachere Weg, da ihre Regeln bekannt und kulturell akzeptiert sind.
Vielfalt der Beziehungskonzepte
Während Monogamie für viele Menschen das Ideal darstellt, gibt es zahlreiche alternative Beziehungskonzepte, die ebenfalls Erfüllung bieten können. Ein klassisches Beispiel ist die offene Beziehung. Hierbei steht der Sex mit anderen im Vordergrund, während die emotionale Bindung in der Hauptbeziehung verankert bleibt. Die Kommunikation spielt dabei eine zentrale Rolle: Manche Paare sprechen offen über ihre sexuellen Erfahrungen mit anderen, während andere es bevorzugen, keine Details zu erfahren.
Swingen ist eine weitere Form der Nichtmonogamie, bei der der Fokus klar auf sexuellen Erlebnissen mit anderen liegt. Hierbei gibt es oft klare Regeln, zum Beispiel das Küssen nur innerhalb der Hauptbeziehung erlaubt ist, während Sex mit anderen Partnern in bestimmten Kontexten akzeptiert wird. Die Swinger-Szene ist vielfältig und reicht von exklusiven Clubs bis hin zu privaten Partys.
Polyamorie geht über die bloße sexuelle Vielfalt hinaus und legt den Schwerpunkt auf emotionale sowie sexuelle Bindungen mit mehreren Partnern. Hierbei ist Offenheit und Ehrlichkeit das oberste Gebot: Alle Beteiligten wissen von den anderen Beziehungen. Polyamore Beziehungen können unterschiedlich strukturiert sein, von hierarchischen Modellen, bei denen es eine Hauptbeziehung und sekundäre Partnerschaften gibt, bis hin zu egalitären Modellen, bei denen alle Partner gleichgestellt sind.
Beziehungsanarchie: Freiheit und Selbstbestimmung
Ein weiteres Konzept ist Beziehungsanarchie. Hierbei gibt es keine festgelegten Regeln oder Definitionen für Beziehungen. Jede Verbindung wird individuell gestaltet, ohne dass gesellschaftliche Normen oder Erwartungen eine Rolle spielen. Es geht darum, frei von Konventionen zu leben und jede Beziehung so zu gestalten, wie es den Beteiligten am besten passt.
Fazit: Bewusste Entscheidungen für ein erfülltes Leben
Egal, welches Beziehungskonzept gewählt wird, das Wichtigste ist, dass es bewusst und in Übereinstimmung mit den eigenen Bedürfnissen und Werten geschieht. Monogamie bietet das Gefühl von Sicherheit, kann aber auch einschränkend wirken. Nichtmonogame Modelle hingegen fordern eine hohe Bereitschaft zur Kommunikation und Selbstreflexion, können aber zu einem tieferen Verständnis der eigenen Wünsche und zu mehr Selbstbestimmung führen.
Letztlich ist es entscheidend, dass jede Person den für sich passenden Weg findet. Manche kehren nach einer Phase der Nichtmonogamie wieder zur Monogamie zurück, weil sie merken, dass diese für sie einfacher und erfüllender ist. Andere entdecken in der Vielfalt der Beziehungsmodelle neue Freiheiten und Perspektiven. Wichtig ist, dass jede Beziehung auf Respekt, Ehrlichkeit und einem echten Ja zueinander basiert – egal, welche Form sie annimmt.
in Anlehnung an meinen Artikel im Standard.